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Lotte in Moskau
Thomas Michael (Inh.)
Kietz 3 / 16248 Stolzenhagen
Uckermark

Lotte in Moskau ist ein Label von spartan2.com

Hintergrund

Dein Label „Lotte in Moskau“ bietet Seidenschals an, versehen mit so seltsamen Namen wie „schnell und laut an Höhe verlierendes Flugzeug aus dem Hause Junkers III“ oder „oberschwäbischer Bombenleger“; dahinter verbergen sich unter anderem stark stilisierte, zu Ornamenten arrangierte Flugzeuge und Pop-Art-artig schematisierte Stauffenberg-Köpfe. Wie kommt man auf solche Ideen?


Das ist im Falle der Flieger meine bescheidene Form von Expressionismus, nach Benn´scher Lesart: Verlöschung des Inhaltes zugunsten der Expression, Form getrennt vom Inhalt, Stoff gewordener Ästhetizismus. Ästhetik leitet sich aus dem altgriechischen aistánesthai für Wahrnehmung, Empfindung ab, und ich muß zugeben, ich empfinde die Formgebung vieler Flugzeuge aus dem Kriege als äußerst gelungen (das ist schon ein wenig seltsam, ich weiß). Vor diesem Hintergrund wollte ich die Webseite ursprünglich unter dem Motto "Kann das Schwert, das tötet, schön sein?" laufen lassen. Ich meine: Ja.

Nun gut, aber kann man denn die Form der Waffe von ihrer todbringenden Funktion und von ihrer historischen Aura ablösen? Ist das denn nicht zynisch?

Ja, und wie! Ich überlege daher auch, eine neue Kollektion mit Schmetterlingen zu machen. Jetzt aber ernsthaft: natürlich schwingen diese Dinge immer mit, selbst bei noch so großer Abstraktion. Betrachtet man die warbirds im Rahmen ihrer eigentlichen Funktion, nämlich Material zu vernichten und Menschen zu töten, wird man sich immer den Einwand gefallen lassen müssen, eine solche Ästhetisierung sei menschenverachtend. Mir kommt es jedoch vor allem auf die Formgebung an. Und da muss ich sagen, sie gefällt - oder eben nicht. Ich gehe nicht so weit, frei nach Marinetti ein aufheulendes Auto für schöner zu halten als die Nike von Samothrake, aber dem Appeal des technischen Designs der Zwanziger, Dreißiger und Vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts kann ich mich schwer entziehen - vielleicht erfordert großes Design ein Mindestmaß an totalitärem Denken.

Aber warum gerade Stukas?

Daran ist die „Atze“ schuld. Ich bin in der DDR aufgewachsen und habe somit auch diese Schülerzeitschrift gelesen. In nahezu jeder Ausgabe war ein Comicstrip drin, der vom „heldenhaften Kampf der Sowjetarmee gegen die faschistischen Aggressoren im Großen Vaterländischen Krieg“ handelte. Die Vorlage für die Stukas lieferte eben so ein Comic. So gesehen sind sie auch eine Reminiszenz an meine Kindheit. Der Stil dieser Darstellungen hat mich sehr geprägt, wie überhaupt das etwas lächerliche permanente Säbelgerassel der DDR. Der Alltag war ja - erst recht, wenn man ihn mit heutigen Maßstäben misst - total durchmilitarisiert. Ständig gab es Aufmärsche, Kampfgruppen, Wehrlager, Russenpanzer etc. Vieles davon vergißt man, manches bleibt hängen. Besonders der heimtückische Überfall eines Versorgungs-LKW der GSSD (russ. Streitkräfte in der DDR) ist mir in Erinnerung geblieben. Es erwischte mich auf dem Heimweg von der Schule. Ich hörte noch das charakteristische Brummen eines ZIL, ein Lachen und danach gingen bei mir die Lichter aus.

Alles was ich weiß, als ich wieder zu mir kam ist, dass eine ältere Frau sich zu mir herabbeugte, wortlos einen Kohlkopf einsteckte, der neben mir lag und auf ihrem Fahrrad davon fuhr. Da hatten diese Russkis sich einen Spaß daraus gemacht, von einem mit Kohl beladenen LKW Punktzielangriffe auf unschuldige deutsche Jungens zu starten. Und ich kreuzte zufällig ihren Weg. Diese hinterlistige Kohl-Attacke habe ich ihnen nie verziehen und ich hatte von da an ein klares Bild davon, was es heißt, in einem befreiten Land zu leben. Die „Atze“ las ich danach auch mit andern Augen. Die Stukas sind also meine späte Rache für den damals erlittenen Kohlkopfbeschuß.

Nun aber zum Kopf Stauffenbergs - ging es Dir da auch um bloße Abstraktion?

Hier geht es freilich auch um Inhaltliches, meinetwegen Bekenntnishaftes. Stauffenberg ist einer meiner Säulenheiligen, ein Licht in dunkler Zeit, dem das Gewissen über alles ging und der Verantwortung übernommen hat, als andere sich hinter Gehorsam versteckten oder (und das vergisst man heute allzu leicht) schlicht anderer Überzeugung waren. Er war nicht nur ein Held, er sah außerdem gut aus, und eignet sich hervorragend zur Ikonisierung. Da wären wir ja wieder bei der Ästhetik angelangt. Dazu kommt das ganze Strahlungsfeld in dem er wirkte: bündische Jugend, George-Kreis, preußischer Offizier mit langer Traditionslinie. Eigentlich hätte man ja einen Henning von Treskow-Schal machen müssen, um den 20. Juli 44 zu würdigen, er war der eigentliche Kopf. Aber der eignet sich halt nicht so zur Ikone. Da fehlt das Sublime, das Zweideutige. Da kann nicht jeder reininterpretieren, was er will, der war eindeutig. Für Stauffenberg trifft das nicht zu. Er ist Projektionsfläche, hier findet jeder, was er will – Rechte den vaterländischen, widerständigen Anti-Nazi, Linke den reaktionären Junker, Frauen und Schwule den schönen Offizier etc.

Kannst du bitte noch kurz etwas zu den anderen Motiven sagen?

Der Schal „Ansichten eines Radardenkers“ ist natürlich Gottfried Benn gewidmet, den darauf abgedruckten Text - Können Schriftsteller die Welt verändern? - finde ich großartig. Auf dem Schal “Cicendela juengeriorum nov. spec.” hingegen sind die lateinischen Namen aller nach Jünger benannten Insekten abgebildet, da mich die Thematik interessiert, ich selber Hobby-Entomologe bin und Jüngers "Subtile Jagden" eins meiner Lieblingsbücher ist. Saint Exuperys "Flug nach Arras" (wie ich finde, sein schönstes Werk) war der Ausgangspunkt für ein weiteres Motiv. Die Silhouetten, in denen der Text steht, sind die einer FW 190. Von einem Jäger diesen Typs wurde er 1944 in seiner Lightning abgeschossen. So schließt sich der Kreis. Ich finde ja überhaupt, daß dies einer größten Fehler der Deutschen im Kriege war – das Leben dieses Menschen zu beenden, bevor er aus dem Fragment gebliebenen "Citadelle – Stadt in der Wüste" ein richtiges Buch machen konnte. Wie man sieht, setze ich mir also keine strengen konzeptuellen Grenzen, was auf die Schals gedruckt werden darf und was nicht. Ich verstehe das Ganze als Kunstprojekt und jeder, der einen Schal erwirbt, kann Teil daran haben. Verdienen tue ich dabei nix, der Verkauf lässt mich weitermachen.